Alter Prospekt und Geschichte der historischen LINK-Orgel in der Ulmer Pauluskirche


Alter Prospekt mit der Jugendstilbemalung von Franz Gref.
Rechts: Originalpfeife v. Link, Harmonikabass, Privatbesitz Brigitte Walter


Die Orgel der Ulmer Pauluskirche (ehemals evangelische Garnisonskirche) wurde durch die Firma Gebrüder Link, Giengen an der Brenz, als opus 535 erbaut und zusammen mit der Kirche am 5. November 1910 eingeweiht.
Der Standort des Instrumentes auf der zweiten, hochgelegenen Empore wurde vom Architekten Theodor Fischer bewusst gewählt: "dass die Orgel unter der Westkuppel ein feine akustische Wirkung hervorbringen wird, dürfte mit einigem Grund anzunehmen sein". Wie schon ursprünglich geplant, wurde das Instrument bereit 1911 im III. Manual um drei Register, Tremolo und einen zweiten Schwellkasten erweitert. Die Disposition wurde vom ersten Organisten der Kirche, Kirchenmusikdirektor Karl Beringer, vorgeschlagen. Er war der erste Organist in Süddeutschland, der die Orgelwerke Regers öffentlich spielte.
Für ihre Erbauungszeit weist die Orgel etliche Besonderheiten auf, zum Beispiel das stark französisch inspirierte II. Manual und die erweiterten Manualumfänge bis a'''. Auch die Rückkoppel II/III besitzt Seltenheitswert. Ob Beringer mit dieser Disposition bereits Vorstellungen der von Emile Rupp und Albert Schweitzer initiierten Elsässischen Orgelreform umgesetzt hat oder eigene Ideen von seinem Pariser Studienaufenthalt im Jahre 1908 mitbrachte, lässt sich heute nicht mehr eindeutig klären.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Fenster in der Kuppel über der Orgel beschädigt, es regnete und schneite in das Orgelinnere. In der Folge kam es immer wieder zu technischen Störungen. Glücklicherweise konnte ein in den Nachkriegsjahren drohender Abbruch des wertvollen Instruments verhindert werden. Nach jahrelangen Planungen entschloss man sich zu einem Umbau, der schließlich 1970 durch die Erbauerfirma ausgeführt wurde. Zwar war es das ausdrückliche Ziel, den ursprünglichen Klangcharakter der Orgel zu erhalten, trotzdem wurden zwölf der originalen Register ausgebaut und leider auch der mit Jugendstilmalereien Franz Grefs geschmückte Prospekt entfernt. Zum Glück blieb der größte Teil des restlichen Pfeifenwerkes aber weitgehend unangetastet.
Eine sorgfältige Überholung und Teilrestaurierung wurde im September 1996 durch die Orgelbauwerkstätte Konrad Mühleisen, Leonberg abgeschlossen. Dabei wurden unter anderem auch acht Register aus der Originaldisposition rekonstruiert und wieder eingebaut. Die wenigen Register, die man aus dem Umbau von 1970 noch beibehalten hat wurden in der Intonation an das vorhandene historische Pfeifenmaterial angeglichen und fügen sich nahtlos in den warmen vollen Klang dieser herrlichen Orgel ein.
Das Instrument ist mit seinen 58 Registern (davon drei Transmissionen ) somit klanglich wieder fast vollständig im Originalzustand und eine der wenigen im Wesentlichen noch erhaltenen großen spätromantischen Orgeln, auf der die Darstellung der Orgelmusik dieser Zeit in idealer Weise möglich ist.

Philip Hartmann in "Pauluskirche Ulm" DKV Kunstführer Nr. 578/0