"Rufer, Mahner, Tröster"

Die Propheten des Alten Testaments
an den Hochwänden
der Ulmer St. Georgskirche

Benefizkonzertlesung zu Gunsten der
Neuen Ulmer Synagoge
Sonntag, den 5.09.2010, 20:15 Uhr

Europäischer Tag der jüdischen Kultur


Einleitung

Antonin Dvorak (1841-1904)
Präludium und Fuge D-Dur

1. Moses

 

Ich bin der Herr dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben.
(Ex 20, 2-3)

Jean Langlais (1907-1991)
"Gloria" aus "Missa in Simplicitate"

Der als Kind erblindete Jean Langlais war über 40 Jahre Organist an der Pariser Kirche Ste. Clotilde, geschätzter vielseitiger Komponist und Orgellehrer. Das Gloria aus der Messe, das einen großen Lobpreis an den dreifaltigen Gott darstellt, vertonte er in der ihm eigenen expressiven und harmonisch experimentierfreudigen Weise.

2. Haggai

 

Ich erschüttere alle Völker, und es wird kommen der von allen Ersehnte.
(Hag 2,7)

Johannes Graf (1853-1923)
Choralvorspiel und Choral "O Jerusalem du schöne"


In dem Pilgerlied "O Jerusalem du schöne" wird die Sehnsucht nach dem himmlischen Jerusalem geschildert, der am Ende der Zeiten entstehenden Stadt, einem Synonym für das Paradies.
Johannes Graf war von 1889-1918 Ulmer Münsterkantor. Er gründete den Ulmer Oratorienchor, führte die tägliche Orgelmusik am Münster ein und war Mitherausgeber des "Orgelalbums", einer bedeutenden Sammlung von Choralvorspielen. Bevor er nach Ulm kam, war er Kantor an der Heilbronner Synagoge und dann Kirchenmusiker an der Heilbronner Kilianskirche.

3. Jesaja

 

Siehe die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären sein Name wird sein Emmanuel.
(Jes 7,14)

Adolf Kern (1906-1976)
"Suchet den Ewigen" Jesaja 55, 6-11


Adolf Kern studierte in Stuttgart Kirchenmusik und wurde 1927 Kantor der Ulmer Synagoge. Die Ulmer Synagoge war mit einer Orgel ausgestattet, wie es in vielen deutschen Synagogen bei fortschrittlich-liberalen Gemeinden üblich war. Adolf Kern war später Professor an der pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd. Wir freuen uns, dass sein Sohn Georg Kern, Trier, heute beim Konzert zugegen ist.

"Suchet den Ewigen"


Informationen zur Ulmer Synagogenorgel

4. Jeremias

 

Habet acht und schauet ob ein Schmerz sei gleich meinem Schmerze.
(Klgl 1,12)

Alexandre Guilmant (1837-1911)
Lamento en c mineur

Alexandre Guilmant war Organist an der Pariser Kirche La Trinité, weitgereister Konzertorganist, Komponist und Hochschullehrer. Er gilt als der Begründer der französischen Orgelromantik.



5. Jonas

 

Du enthobest dem Verderben mein Leben. Herr mein Gott.
(Jon 2,7)

Max Springer (1877-1954)
Fantasie über das Osterhalleluja

In der Osternacht wird ein besonders feierliches Halleluja angestimmt, Thema der schwelgerisch spätromantischen Fantasie:


Das Wort "Halleluja" kommt vom m Hebräischen "hallal jah" was mit "lobet Jahwe" übersetzt werden kann.

Der Komponist Max Springer, wurde in Schwendi, südlich von Ulm geboren. Nach Ausbildung in den Benediktinerklöstern Beuron und Seckau studierte er in Prag u. a. bei A. Dvorák und war Organist im Prager Emmauskloster. 1910 wurde er Musikprofessor an der Wiener Musikakademie.

6. David

Du führst in die Höhe, nahmst gefangen die Gefangenen.
(Ps 68, 19)

Antonin Dvorak (1841-1904)
"Gott ist mein Hirte" (nach Davids Psalm 23) aus

Biblische Lieder op.99

Die biblischen Lieder entstanden 1894 bei Dvoraks Aufenthalt in den USA. Frei von effekthascherischer Virtuosität bringen Sie in ihrer Schlichtheit tiefe Religiosität zum Ausdruck.

Gott ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, er ist mein Hort.
Er führt mich seinen Pfad, leitet mich an den stillen Bächen hin,
er gibt Kraft meinem Gemüt.
Er führt mich seinen Pfad zu seines Namens ewigem Ruhm.

Wenn ich auch wandele in den Schatten des Todestales,
schreite ich doch ohne Schrecken,
denn du leitest mich.
Führe mich deines Weges und bleibe mein Hirte.

7. Maleachi

 

Ja, ich will zu euch kommen zum Gerichte und euch ein schneller Zeuge sein.
(Mal 3,5)

Georg Friedrich Händel (1685-1759)
"Wie lieblich ist der Boten Schritt" aus "Der Messias"

Der Text des berühmten Händelschen Oratoriums besteht ausschließlich aus Zitaten des Alten und Neuen Testaments.
Hier wird Jesaja zitiert:
"Wie lieblich ist der Boten Schritt, die uns verkünden den Frieden, sie bringen frohe Botschaft vom Heil, das ewig ist"

8. Joel

 

Ich will meinen Geist ausgießen über alles Fleisch. (Joel 3,1)

Dietrich Buxtehude (1637-1707)
Choralvorspiel "Nun bitten wir den heilgen Geist"

Buxtehude ist der bekannteste Vertreter der norddeutschen Orgelschule. Der junge Bach nahm 400 km Fußmarsch auf sich, um Buxtehude in Lübeck zu hören und kennenzulernen.


9. Daniel

 

In jenen Tagen wird der Herr des Himmels ein Reich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört werden wird. (Dan 2,44)

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847)
"Vater-Unser Choralvariationen" aus Orgelsonate op. 65/6


Mendelssohn entstammt einer angesehenen jüdischen Familie, die zum christlichen Glauben konvertierte. Seinem Glauben gab er in vielen geistlichen Kompositionen Ausdruck, immer wieder verwendet oder verarbeitet er protestantische Choräle in seinen Werken, so hier das Luthersche Vater Unser:



10. Zacharias

Bekehrt Euch zu mir so werde ich mich zu euch kehren, spricht der Herr der Heerscharen.
(Sach 1,3)

Antonín Dvorák (1841-1904)
"Hör, o Vater, wie ich dich bitte, neige dich gnädig zu mir"

(nach Psalm 61 und 63) aus biblische Lieder op.99


Hör, o Vater, wie ich Dich bitte, neige Dich gnädig zu mir.
Denn Du allein bist meine Zuversicht,
vor meinen Feinden allmächtig schützest Du mich.
Lass mich wohnen in Deinem Zelt ewiglich,
birg unter Deinen Flügeln mich.

Vater Du bist mein einz'ger Gott, Dich will ich suchen frühe.
Nur nach Dir verlanget mich, Sehnen zu Dir verzehret mich
Faßt mich hier in diesem dürren Land, Land ohne Wasser.

Von nun an will singen ich und lobpreisen deine Huld,
ich hebe die Hände auf zu Dir, rufe Herr, Dich an.

11. Ezechiel


Und er sprach zu mir Menschensohn
meinst du wohl,
dass diese Gebeine lebendig werden.
(Ez 37,3)


Erwin Horn (*1940)
Scherzo "Gelobt sei Gott, im Höchsten Thron"

Erwin Horn ist Kirchenmusiker, Komponist, Musikforscher und Hochschullehrer in Würzburg. Mit Leichtigkeit und Frische verarbeitet er im tänzerischen Scherzo die Melodie des in beiden christlichen Konfessionen beliebten Osterliedes.

12. Baruch


Gott wir dir allein das Kleid der Gerechtigkeit
und deinem Haupte aufsetzen
die Krone der ewigen Ehre.
(Bar 5, 2)

 

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847)
"Finale" aus Orgelsonate B-Dur, op. 65,4


Das Finale der Orgelsonate wird durch ein festliches, fanfarenartig sich aufschwingendes Thema eingeleitet und geht in eine konzertante Fuge über, die schließlich wieder in das Eingangsthema einmündet.
Die Orgelsonaten Mendelsohns sind Meilensteine der Orgelmusik. Nach J.S. Bach war die Orgel in der Zeit der Wiener Klassik in den Hintergrund gerückt, Mendelsohn leitete mit seinen Orgelkompositionen eine neue Ära ein, was Robert Schumann schon zu Lebzeiten Mendelssohns bewundernd attestierte.

Aufnahmen: Dr. Rolf Bäuerle, drrb audio production ulm


Die Konzertlesung war ein großer Erfolg, ca. 250 Besucher wurden gezählt. Für den Neubau der Ulmer Synagoge wurden 1510€ und 21 Schekel (!) gespendet. Herzlichen Dank allen Spendern.

Ausführende:
Pfarrer Thomas Keller (Texte), Anita Steuer (Sopran), Siegfried Gmeiner (Orgel, Konzeption)

Übergabe der Spenden an Rabbiner Trebnik




Benefiz-CD: Rufer, Mahner, Tröster

Die Propheten des Alten Testaments an den Hochwänden von St. Georg

Die Benefiz-CD ist bei der SÜDDEUTSCHEN Buchhandlung,
Bahnhofstr. 20 erhältlich. Der Verkaufspreis von 5,-€ kommt in vollem Umfang der neuen Ulmer Synagoge zugute.



Die CD-Produktion wurde von Tonmeister Dr. Rolf Bäuerle, drrb audio production ulm (http://drrb-audio.de) ehrenamtlich durchgeführt und gesponsert. Ein großes Dankeschön für den selbstlosen Einsatz und die hervorragende Arbeit!



 

 

 

 


Bis Ende Juli 2011 konnten alle 200 Benefiz CDs verkauft werden. Danke an Herrn Minten von der SÜDDEUTSCHEN Buchhandlung, jetzt "Bücher und Kunst an der Wengenkirche", Wengengasse 15, 89073 ULM.

Der Erlös von 1000,- € konnte dem Ulmer Rabbiner Sneur Trebnik am Sonntag, den 4. September, am europäischen Tag der jüdischen Kultur, also ein Jahr nach dem Benefizkonzert übergeben werden. Er war sehr erfreut und gerührt über dieses Zeichen der Solidarität und bedankt sich bei allen, die dazu beigetragen haben.